Experteninterview: Business Intelligence

Jörg Schmidt, Senior Consultant Business Intelligence bei der TIQ Solutions GmbH gibt in dem folgenden Interview Einblicke in die Entwicklung von Business Intelligence und wie die Coronakrise den Markt verändert hat.

Wie definierst du den Begriff Business Intelligence? Wodurch unterscheidet sich eigentlich Big Data von Business Intelligence?

Business Intelligence (BI) bezeichnet einen gesamtheitlichen Prozess, in welchem ein Unternehmen oder Unternehmensbereich alle verfügbaren (Daten-)Quellen systematisch speichert und analytisch aufbereitet und diese für alle relevanten Geschäftsprozesse in geeigneter Visualisierung zur Verfügung stellt. Basierend auf einem strukturierten Datenbestand können somit Auswertungen zur Unterstützung unternehmerischer Entscheidungen führen.

Big Data bezeichnet im Allgemeinen eine große, komplexe Datenmenge, welche meist entweder kaum strukturiert oder in der Menge unübersichtlich ist – so dass kaum Kerninformationen hieraus gewonnen werden können. Zu diesen Daten zählen zum Beispiel Internet-Clickstreams, Protokolle von Webservern, Einzelverbindungsnachweise für Mobiltelefone, Informationen von Sensoren oder Maschinen oder auch Berichte über Social-Media-Aktivitäten / Meinungen der User.

Im Zusammenspiel mit BI kann jedoch diese Menge an Daten strukturiert und methodisch verarbeitet werden. Dies hat den Mehrwert, dass neben einer vorauszusetzenden dauerhaften Datenqualität, auch unternehmensweit mit der gleichen Datengrundlage, z. B. mit Speicherung in einem Data Warehouse fachliche Informationen jederzeit abrufbar sind.

Welche Trends siehst du momentan im Bereich der Business Intelligence?

Zum einen, dass das Fundament von BI weiter ausgebaut und damit auch ein weiterführender und einfacher Datenzugang möglich wird. Zum anderen aber auch die Wahrung der Datenqualität und die Speicherung der Daten unabhängig von lokalen Servern (Cloud BI) für einen einfacheren ortsunabhängigen Zugriff. Für Anwender spielt die Datenvisualisierung eine wichtige Rolle, um direkt Informationen zu erhalten. Self Service BI unterstützt dabei, die Daten nach eigenen Ansprüchen darzustellen. Auch Mobile BI sowie Realtime Analytics haben an Bedeutung gewonnen, um jederzeit und ortunabhängig just-in-time Daten auszuwerten. Gekoppelt mit weiterführenden Analysen, wie z.B. Machine Learning, können Zusammenhänge in Daten automatisch erkannt werden und damit Vorhersagen zu zukünftigen Ereignissen erstellt werden. Beispielsweise was ein Kunde als Nächstes kauft oder wann welche Maschine ausfallen wird.

Welche Innovationen haben sich weitgehend durchgesetzt, wo ist Etablierung noch im Werden und was sind die „little stars“, die neuen Themen mit Potenzial für die Zukunft?

Die Speicherung und Vernetzung von Daten hält immer mehr Einzug. In vielen Unternehmen ist der Mehrwert der Daten bereits bekannt und die Analyse der Daten ist schon wichtiger Bestandteil.  Auch wird die Nutzung der Daten immer wichtiger im Wettbewerb zwischen Firmen. Ein größeres Potenzial der Datenmengen kann durch Methoden aus Data Science, vor allem Künstlichen Intelligenz (KI), geschöpft werden. KI ist aber in vielen Bereichen, u.a. in KMU, noch in den Kinderschuhen, bietet aber viele Möglichkeiten. So können weitreichendere Marktanalysen entstehen, Prozesse weiter optimiert werden, Kommunikationen zwischen Maschinen ermöglicht werden, oder auch Entscheidungshilfen basierend auf Daten erstellt werden. Es wird damit gerechnet, dass die Bedeutung von Data Science und KI in den nächsten 5 Jahren deutlich ansteigt.

Gibt es auch Themen, die als Hype nicht wirklich das lieferten, was sie versprachen?

Ich habe das Gefühl, dass die Methoden im Bereich KI oft als Allheilmittel angesehen werden – im Sinne eines Methodenhype. Dabei lösen sie nicht unbedingt die konkreten Fragestellungen, die das Unternehmen hat. Beziehungsweise können einfachere Auswertungen und Visualisierungen oder statistischere Berechnungen die Fragestellungen auch beantworten. Grundsätzlich sollte beim Vorgehen immer erst die Fragestellung klar formuliert und beleuchtet werden, bevor geeignete Methoden, Strukturen und Tools gewählt werden und nicht umgekehrt. Auch nehme ich wahr, dass das Grundverständnis der verschiedenen Begriffe wie Big Data oder KI nicht immer klar ist.

Um abschließend sagen zu können, ob ein Thema nur ein Hype war und nicht viel gebracht hat, zeigt sich über die Jahre. Es wäre vorschnell ein Urteil zu fällen. Ich denke aber schon, dass alle Methoden ihre Berechtigungen und Mehrwerte haben. Es kommt vor allem auf den Methodenmix an, damit ein Projekt zum Erfolg wird.

Viele sprechen heutzutage von „Modern BI“. Was ist das Ihrer Meinung nach? Wird BI heute anders angegangen als noch vor wenigen Jahren? Was hat sich verändert?

Die Anzahl der Datenquellen (IoT) und die hieraus zu verarbeitenden Datenmengen haben sich verändert. Gerade auch durch Automatisierung und Vernetzung haben sich komplett neue Anforderungen an die Datenbereitstellung ergeben. Ebenso erfolgt mit der Globalisierung von Unternehmen auch eine Zentralisierung der Datenhaltung (Cloud Services). Zusätzlich ändern sich die Anforderungen wie z. B. der Zugriff jederzeit von jedem Endgerät mit höchstmöglicher Datensicherheit und unterschiedliche Verwendung der Daten im Zugriff durch verschiedenste Anwendungen, z.B. für Prozesssteuerung, Controlling, Marketing und Analysen – bis hin zu automatisierter Erkenntnisgewinnung und Produktentwicklung. Die angesprochenen Punkte bringen aber auch eine Vergünstigung mit sich, auch und gerade für kleine Unternehmen ohne IT-Spezialisten und ohne eigene Serverlandschaft werden BI-Lösungen ermöglicht.

Was sind für Unternehmen die häufigsten Stolpersteine auf dem Weg zu Modern BI?

Ich sehe besonders in kleineren Unternehmen, dass der Mehrwert von BI oft nicht sofort erkannt und BI somit nicht angewandt wird. Das kann an fehlender Akzeptanz im Management liegen, aber auch an der Ablehnung von Mitarbeitern gegenüber Neuem. Diese Lernunwilligkeit kann aus der Angst heraus entstehen, dass durch die Veränderung Arbeitsplätze wegfallen. Andere Unternehmen halten wiederum an veralteten IT-Strukturen fest und neue Technologien finden keinen Einzug. Beides kann bei einer ansteigenden Datenmenge zu Schwierigkeiten führen.

Auch der Kostenfaktor ist ein wichtiger Punkt. Wenn eine moderne BI-Umgebung integriert werden soll, ist dies noch immer mit Kosten verbunden, besonders am Anfang. Das Budget für den Aufbau und Betrieb ist zunächst nicht für alle Firmen ausreichend. Die Vernetzung der Daten und Zusammenführung ist nicht immer einfach gelöst und so können Aufwand und Kosten ansteigen.

Ist eine BI-Umgebung aufgebaut, ist die Weiterentwicklung weiterhin relevant, um eintretende Probleme zu beheben und auf Neuerungen reagieren zu können. Es wird auch zukünftig immer wieder Änderungen geben, die die Anpassungen einer BI-Umgebung und IT-Infrastruktur verlangen.

Das Thema wirkt für viele Firmen zu komplex, um mit der Umsetzung zu beginnen. Es braucht Personen, die die Vorteile aufzeigen, konkrete Umsetzung erklären können und so die Bedenken und Ängste der Mitarbeiter nehmen.

Vor allem das IoT gewinnt immer mehr an Bedeutung. Für Unternehmen ist systematisches Datenmanagement und eine Datenstrategie also immer mehr von Bedeutung. Welche Relevanz haben neue Datenquellen heute schon und was kann man in den kommenden Jahren noch erwarten?

Es wird auf Grund des IoT Themas derzeit viel geforscht, entwickelt und ausprobiert. Wo ein Unternehmen eine Chance auf ein mögliches Produkt sieht, kann ein „Kunde“ vielleicht eher ein Problem im Eingriff in seine Privatsphäre sehen, wenn das Thema Datensicherheit nicht transparent als Bestandteil vermittelt wird. Auch die weltweit unterschiedliche Handhabe (welche Daten gebe ich an Dritte, was passiert mit diesen Daten, welchen Nutzen haben ggf. andere von meinen Daten) stellt noch eine große Herausforderung dar. Datendiebstahl und -missbrauch, unberechtigte Zugriffe durch Hacker auf relevante IT-Strukturen, cloudbasierter Datenverlust sind Negativszenarien. Autonomes Fahren, intelligente Verkehrsführung, lastgesteuerte Stromproduktion und gelenkte Energieversorgung wären Potentiale.

Ich würde sagen, dass Kunden sich zukünftig Freiräume bzgl. Informationstechnologie suchen oder erschaffen werden. Sie müssen selbst entscheiden, ob ihr Kühlschrank mit dem Supermarkt kommunizieren soll und dessen Lieferant anhand meines Smartphones weiß, wann er mich zu Hause zur Lieferung antreffen kann. BI hat noch einiges zu bieten. Meiner Meinung nach sind wir gerade erst am Anfang, jedoch sollte BI das Leben unterschwellig unterstützen und nicht in Überwachung oder gar Überschwemmen von Angeboten ausarten.

Corona hat das ein oder andere Unternehmen in die Krise gestürzt. Sind Daten ein Ausweg aus der Krise? Und wie kann Data Analytics mir als CXO helfen, die Krise zu bewältigen – und dabei vielleicht auch neue Chancen aufzeigen?

Dies ist abhängig vom Unternehmen, dessen Produkten oder Dienstleistungen und welche Daten ich mir in einer Krisenzeit anschaue. Auf dieser Grundlage können Alternativen besser betrachtet und abgeschätzt werden. Es bringt nichts, wenn ich als Ladenbetreiber erkenne, dass ich weniger Umsatz mache und in welchen Städten meine Ladenlokale schlecht laufen. Vielmehr muss ich erkennen, dass ein Onlinegeschäft und dessen Wahrnehmung beim Kunden in dieser Krise hilfreich sein könnten, den Umsatz am Laufen zu halten. Oder dass ich als Restaurantbesitzer einen Lieferservice einrichten muss und plötzlich eher zum Kunden muss, statt dass dieser wie bisher zu mir kommt.

Bin ich wiederum ein Onlinehändler, helfen mir Daten über die Top-Produkte gegebenenfalls Produktionskapazitäten und Preisgestaltung anzupassen.

Trotzdem ist anzumerken, dass der stationäre Einzelhandel generell ein Absatzproblem unabhängig von Corona hat. Die Corona-Krise zwingt die Unternehmen dazu, neue Strategien zu ermitteln und sie tatsächlich anzugehen. Der Leidensdruck wurde somit durch Corona einfach nur verstärkt und zwingt zum Handeln. Im Onlinesegment sehe und höre ich Data Analytics in Summe häufiger, vermutlich beschleunigt es dennoch die schon eintretenden Veränderungen. BI oder DataAnalytics-Anbieter müssen die Chance nutzen und die entsprechenden Mehrwerte aufzeigen.

Hat die Corona-Krise aus deiner Sicht auch den Markt für BI verändert?

Generell schafft jede Krise im Anschluss immer einen gewissen Fortschritt. Probleme führen zu neuen Ideen, eine veränderte „Alltagssituation“ zeigt plötzlich Potentiale, Notwendigkeiten oder Schwachstellen auf. Wenn wir bisher nur über BI nachgedacht haben, gibt es uns nun vielleicht einen Schwung in Richtung Modern BI. Beziehungsweise wird der schon angestoßenen Prozess einfach nur beschleunigt. Corona oder andere Krisen bringen immer Veränderungen und andere Ansätze, im positiven als auch negativen mit sich.

Wir danken Jörg Schmidt für das aufschlussreiche Gespräch.

Ausschnitte des Interviews von unserem Kollegen Jörg Schmidt erschienen im Fachartikel „So geht Datenanalyse von morgen“ vom Fachportal Com! Professional.

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